Vorstellungen vom Verbrauch im ökonomischen und physiologischen Denken 1770-1870

Projektbeschreibung:
Verbrauch wurde in der Geschichtsschreibung bisher als Konsumtion aus ökonomischer, statistischer, soziologischer, kultureller, psychologischer, ästhetischer, semiotischer, gendertheoretischer und noch mancher anderen disziplinären Sicht dargestellt. Demgegenüber ist dies der Versuch, den Vorgang des materiellen Verbrauchs (weshalb im Folgenden dieser Begriff und nicht der der Konsumtion verwendet wird) nachzuvollziehen, wie er vom Ende des 18. bis zum Ende des 19.Jahrhunderts vorgestellt wurde: als "Vernichtung" des zuvor in den Gegenstand hineingearbeiteten Nutzens oder Gebrauchswerts und die Assimilation dieses Nutzens durch das verbrauchende Subjekt. Dazu den Diskurs der Physiologie und Ökonomie heranzuziehen, hat seinen Grund zum einen in der seit der Antike engen Verbindung beider Disziplinen. Die ökonomische Urzelle ist das Haus (oikos), der von der Natur (physis) abgetrennte um das Herdfeuer eingerichtete Raum, in dem Natur angeeignet d.h. zu Kultur verarbeitet wird. Die oikeiosis, wie die stoische Philosophie den Vorgang der Aneignung der Welt durch den Menschen nannte, führt vom Herd zur Küche zur Werkstatt zum chemischen Labor zur Fabrik. Von Aristoteles bis Alfred Marshall lässt die Wirtschaftstheorie die Ökonomie mit der Nahrungsaufnahme und Verdauung beginnen, aus denen sich als ´Überbau´ Bekleidung, Behausung, Luxus erheben. Verdauung und Verbrauch wären demnach anthropologisch-physiologische Fundamentalkategorien vergleichbar Marcel Mauss´ fait social total des Tauschs. Für den Untersuchungszeitraum bietet sich darüber hinaus die Parallelgeschichte von Physiologie und Ökonomie an, indem physiologische Begriffe wie Kreislauf und Stoffwechsel in die Ökonomie und ökonomische wie Arbeit und Arbeitsteilung in die Physiologie wanderten. Die um 1800 aufgekommene und – so die Hypothese des Forschungsvorhabens – vom physiologischen Begriff der Assimilation inspirierte Definition der Produktion als produktive Konsumtion – nach Harvey´s Zirkulation die folgenreichste Ausstrahlung des physiologischen auf das ökonomische Denken – wird das Orientierungs-, Organisations- und Kristallisationszentrum der Untersuchung sein.
Projektlaufzeit:
Projektbeginn: 2006
Projektende: 2010
Projektleitung:
Prof. Dr. rer. pol. Birger P. Priddat, Prof. Dr. Friedrich Kittler, Lehrstuhl für Geschichte und Ästhetik der Medien, Humboldt-Universität Berlin

Zeppelin University Friedrichshafen
Lehrstuhl für Politische Ökonomie (2004 bis 2007)

Am Seemooser Horn 20
88045 Friedrichshafen

Telefon: +49 7541 6009-1400
Fax: +49 7541 6009-1499
Email: gabriele.pirkl@zu.de
http://www.zeppelin-university.de/politische_oekonomie
Projektbearbeitung
Dr. Wolfgang Schivelbusch
Kooperationspartner
Humboldt Universität Berlin
Finanzierung:

  • Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG

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