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Forschungsbericht]

Die Form der Nachricht

Projektbeschreibung:
Eine formtheoretische Formulierung der Nachricht antwortet auf offene Fragen des gesellschaftlichen Umgangs mit der Kontingenz von Beobachtungen und der Differenz von Perspektiven, und ermöglicht darüber hinaus die Formulierung von Thesen über den Zusammenhang von System- und Formtheorie sowie über die Integration von Gesellschaft unter den Bedingungen ihrer funktionalen Differenzierung. Nachrichten sind die Formen, in denen das aktuell Relevante und Wirkliche angebbarer Gemeinschaften präsentiert wird, und dies unter der Vorgabe, objektiv Realität abzubilden. Eine theoretische Kritik dieser Vorgabe hinsichtlich der Beobachterabhängigkeit von Wirklichkeit und der Welterzeugung durch Darstellungen wird zum Ausgangspunkt genommen, um einerseits nach der Form zu fragen, in der die Differenz zwischen dem Wirklichen und Nicht-Wirklichen erzeugt wird, andererseits nach der kommunikativen Funktion dieser Darstellungen zu fahnden. Nach einer Auseinandersetzung mit kulturwissenschaftlichen und systemtheoretischen Ansätzen zur Beantwortung dieser Fragen wird vorgeschlagen, die Form der Nachricht in der Differenz von Ereignis und Beobachtung, und die Funktion der Nachricht in der Lösung des Problems der Kontingenz von Darstellungen zu sehen. Nachrichten beobachten Welt und stellen so Ereignisse für kommunikative Weiterverwendung zur Verfügung, wobei die bestimmte Seite der Differenz im Ereignis liegt. Wie in Auseinandersetzung mit drei Fallstudien demonstriert werden kann, negieren Nachrichten die eigene Leistung in der Beobachtung von Welt, indem sie sich selbst als Monitor zur Welt inszenieren und durch Absehen von personalen Interessen, Etablierung allgemeiner Relevanzkriterien und Relativierung einzelner Beobachtungen den Anschluss an die beobachteten Ereignisse gegenüber Anschlüssen an die Beobachtung der Ereignisse privilegieren. Die Qualitativen Analysen der Berichterstattung zu den Verfehlungen des ehemaligen Bundespräsidenten Wulff, den Veröffentlichungen von Botschaftsdepeschen durch WikiLeaks und von Wirtschaftsprognosen zeigen gemeinsam auf, dass und wie Nachrichten durch ihre Form den Anschein der beobachterunabhängigen Darstellung erwecken und gleichzeitig Ereignisse für weitere dissonante Bezugnahmen bereitstellen. Nachrichten lösen, so die Schlussfolgerung, ein Integrationsproblem funktional differenzierter Gesellschaften. Koordination, Koorientierung und Synchronisation verlaufen über die Ermöglichung gleichzeitigen Zugriffs auf Ereignisse. In dieser Hinsicht zeigt sich eine Formtheorie als notwendige Ergänzung einer systemtheoretischen Beschreibung von Gesellschaft gerade am Beispiel der Nachrichten, da sie zu beschreiben hilft, wie ein in sozialen Systemen durch die Codierung der Beobachtung geprägter Zugriff auf kommunikativ erzeugte Differenzen jenseits der Systembildung funktionieren kann.

Ansprechpartner: M.A. Judith Beyrle
Projektlaufzeit:
Projektbeginn: 01.01.2013
Projektende: 31.07.2015
Projektleitung:
Prof. Dr. phil. habil. Maren Lehmann

Zeppelin University Friedrichshafen

Projektbearbeitung
M.A. Judith Beyrle
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