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Forschungsbericht]

Neue Rahmungen – Die Anfänge Freiburgs im europäischen Kontext. Archäologische und historische Perspektiven

Projektbeschreibung:
Die Gründungsgeschichte Freiburgs im Breisgau ist seit dem 19. Jahrhundert archäologisch und historisch intensiv erforscht worden. Freiburg galt gemeinhin als auf einer grünen Wiese gegründete Stadt, deren planmäßige Anlage durch die Zähringer als Vorbild für weitere Städte diente. Im Rahmen des deutschen Reiches des hohen Mittelalters sei Freiburg eines der frühesten, wenn nicht das früheste Beispiel für eine solche planmäßige, hochmittelalterliche Stadtgründung durch ein Adelsgeschlecht. Sie bilde den Prototyp für von den Zähringern gegründete Städte im Südwesten Deutschlands und in der Westschweiz (sog. „Zähringer-städte“). Dieses klassische Bild der Forschung hat in den letzten Jahrzehnten aus archäologischer wie historischer Sicht erhebliche Risse bekommen. Zum einen gab es kleinere Vorgänger-siedlungen im Freiburger Stadtgebiet und die archäologischen Befunde legen eher ein – wenn auch nicht völlig planloses, so doch sukzessives – Wachsen der Siedlung nahe, zum anderen wurden die historischen Quellen für die planmäßige Anlage (Stadtrechte des 12. Jahrhunderts) in entscheidenden Punkten einer kritischen Revision unterzogen. Eine archäologisch-historische Tagung in Neuenburg am Rhein („Archäologie und Geschichte der Stadt in der Zähringerzeit“) griff 2018 zudem die schon länger bestehende Skepsis auf, dass die Städte der Zähringer nach einheitlichem Plan errichtet worden seien, und bestätigte sie in vollem Umfang. Erkennbar war aber auch, dass gerade die neuen Elemente der Anlage von Städten im Hochmittelalter, etwa die infrastrukturellen Veränderungen (Anlage von Wasserversorgung, Aufschüttungen des Niveaus, Ausheben breiter Gräben), nicht nur einen erheblichen Einsatz von Menschen und Material, sondern auch ein Anwendungswissen von Spezialisten voraussetzten. Erstaunlicherweise wurden Vorbilder für diese Veränderungen, die mit der Stadtwerdung Freiburg einhergingen, vor allem im deutschen Reich des hohen Mittelalters gesucht. Dies ist jedoch in mehrfacher Hinsicht eine zu einseitige Perspektive, denn die Zähringer waren nicht auf den deutschen Südwesten beschränkt. Sie besaßen Kontakte, die weit darüber hinausgingen: in der Wallonie (Lüttich, Namur) hatten sie eigene herrschaftliche Schwerpunkte, nach Flandern, ins Rhônetal und nach Oberitalien hatten sie dynastische Verbindungen oder lernten diese Räume im Zuge der staufischen Italienpolitik kennen. Auch jenseits herrschaftlich vermittelter Beziehungen ist der Transfer von Wissen über spätere nationale Räume hinaus im Kreis von Spezialisten zu vermuten. Solche anderen Wissens- und Kommunikationsräume zu bedenken, eröffnet einen neuen Horizont für die umfassende Einordnung der Freiburger Stadtwerdung. Ziel der interdisziplinären Tagung zur Stadtgründung Freiburg, die archäologische, historische sowie kunsthistorische Perspektiven einbezieht, ist es deshalb diese in einen neuen, europäisch vergleichenden Rahmen einzuordnen Nach einer vorausgehenden kritischen Sichtung des derzeitigen, vor allem archäologisch noch nicht gesicherten Forschungsstands zu Freiburg (Workshop im Juli 2019) soll die Tagung auf drei Feldern Vergleiche ziehen. 1. ist das Beispiel Freiburg mit anderen europäischen Stadtwerdungen des hohen Mittelalters in Bezug zu setzen, die zeitlich vor und nach diesem liegen und räumlich einen weiteren Rahmen als das Reich des hohen Mittelalters abstecken. Vergleichspunkte sind neben der zeitlichen Erstreckung des Gründungsvorgangs, die Frage von Vorgängersiedlung und Neuansatz, die archäologische Dokumentation der Ausbauphasen, die Frage der herrschaftlichen Initiative bzw. genossenschaftlicher Einigung der Akteure, sowie der vorhandenen Stadtmerkmale (zentralörtliche Funktionen [wirtschaftlich, kultisch), topographisch-bauliche Verdichtung, rechtlich). 2. sollen die infrastrukturell in Freiburg im 12. und 13. Jahrhunderts greifbaren Veränderungen herausgestellt und vergleichend eingeordnet werden: Die erheblichen Aufschüttungen des Niveaus, die Anlage von Straßen und Parzellen, die Anlage von Brauchwasserkanälen (Bächle), das Treiben eines Stollens durch den Schlossberg (Bergbau), der Grabenaushub und Stadtbefestigung. Befragt werden sollen sie archäologisch zum einen auf ihre Vergleichbarkeit, d.h. ihre Singularität bzw. Erwartbarkeit im hohen Mittelalter oder auf mögliche Vorbilder, historisch auf die Frage, welche Machtbeziehungen hier sichtbar werden, und wie sich Infrastrukturen im Hinblick auf deren Stabilisierung (Speicherung) oder Visibilisierung (Sichtbarmachung) auswirken. 3. will die Tagung den Blick auch auf das städtische Freiburg um 1200 lenken. Welches Bild bot die Stadt nach der ersten Ausbauphase, und wie nimmt sich dieses im Vergleich und eingebettet in das Umland aus? Wann werden Binnenräume in der Stadt erkennbar, wann wird die Stadt zur einer baulich differenzierten und vielfältigen Siedlung, welche soziale Topographien, welche privaten und öffentlichen Räume gibt es, wie verhalten sich Holz- und Steinbauten zu einander, etc.

Ansprechpartner: Brather S
Projektlaufzeit:
Projektbeginn: 30.03.2020
Projektende: 01.04.2020
Projektleitung:
Brather S, Dendorfer J
Stellvertretung: Dendorfer J
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für Archäologische Wissenschaften
Abt. Frühgeschichtliche Archäologie und Archäologie des Mittelalters
Belfortstrasse 22
79085 Freiburg

Telefon: 0761 / 203 33 83
Email: info@ufg.uni-freiburg.de
http://www.ufg.uni-freiburg.de
Finanzierung:

  • Stadt Freiburg, Sonstiges

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