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Forschungsbericht]

Die Rolle der Nationalen Forstverwaltung in der bulgarischen Forstpolitik am Beispiel der Beratung und Ausbildung privater Waldeigentümer

Projektbeschreibung:
Nach dem Übergang von einer zentralen Planwirtschaft zur Marktwirtschaft hat die Rückgabe der verstaatlichten Wälder an die ehemaligen Eigentümer oder deren Erben (Restitution) zu einer Veränderung der Eigentumsverhältnisse geführt. Diese Änderungen bedingen vollkommen neue Aufgaben für die staatliche Forstverwaltung und neue Organisationsformen. Zudem erscheinen neue Akteure, die die alleinige staatliche Zuständigkeit für die Forstpolitik und die Bewirtschaftung der Wälder in Frage stellen. Die Einbindung in internationale Prozesse, der geplante Beitritt zur Europäischen Union sowie die ausländische Hilfe zur Entwicklung des Forstsektors erfordern weitere Anpassungen der Forstpolitik und die Entwicklung einer langfristigen Strategie für den Forstsektor. Den neuen Eigentümern fehlen allerdings vielfach die Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die Motivation, die Wälder zu bewirtschaften. Zudem existieren sehr komplizierte Vorschriften für die Bewirtschaftung, die meist nicht bekannt sind und die einer ständigen Veränderung unterliegen. Der Privatwald Bulgariens ist zudem durch eine sehr kleinflächige Struktur und starke Parzellierung gekennzeichnet, die die Bewirtschaftung erschweren. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Analyse der Umsetzung der staatlichen Konzeption für die Beratung und Ausbildung nicht-staatlicher Waldeigentümer in Bulgarien und die damit verbundenen institutionellen Veränderungen auf den verschiedenen Ebenen der staatlichen Forstverwaltung Bulgariens. Ziel der Untersuchung ist somit v.a. die Ermittlung der bürokratischen Leistungsfähigkeit und Implementationskapazität der nationalen Forstverwaltung (NFV) Bulgariens in Bezug auf die Umsetzung und Durchführung eines Beratungs- und Ausbildungsangebotes für die neuen privaten Waldeigentümer. Die Arbeit konzentrierte sich zum einen auf die Ermittlung des Einflusses endogener Faktoren, wie z.B. den Einfluss informeller Strukturen in der Verwaltung oder interner Verteilungskonflikte auf die verschiedenen Strukturen der staatlichen Forstverwaltung. Zum anderen wird die Rolle externer Faktoren wie z.B. die Rolle externer Verteilungskonflikte (Aktivitäten anderer Akteure) oder die Wirkung internationaler Prozesse auf den Implementationsprozess des Beratungs- und Ausbildungskonzepts untersucht. Um die Einstellungen und Handlungen der forstpolitischen Akteure zu erfassen und die Bedeutung ihres Handelns zu rekonstruieren und zu interpretieren, wurden qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung angewandt. Die Arbeit unterteilt sich in zwei empirischen Untersuchungsphasen. Hierbei wurden in erster Linie 46 problemzentrierte Interviews mit Angestellten der staatlichen Forstverwaltung (NFV) aller hierarchischen Ebenen, Wissenschaftlern, Leitern einiger internationaler Forstprojekte, mit privaten Forstsachverständigen sowie einigen Verbands-, Projekt- und NGO-Leitern in Bulgarien durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen zum einen die Einstellungen der Befragten zu den neuen Privatwaldeigentümern und zur Bewirtschaftung der Privatwälder sowie die Wahrnehmungen und Bewertungen der Befragten bezüglich der Bedeutung und Qualität der Beratung und Ausbildung von Privatwaldeigentümern. Zum anderen zeigen sie ein umfassendes Bild der Rahmenbedingungen der bulgarischen Forstpolitik für den Privatwald. Hierbei lassen sich verschiedene Einflüsse auf die Politikformulierung und Politikdurchführung in Bulgarien erfassen: Die Rolle der internationalen Politik und internationaler Forstprojekte, der Einfluss der Politiker ebenso wie die Rolle der Nichtregierungsorganisationen und Verbände auf nationaler forstpolitischer Ebene. Zum besseren Verständnis der Interaktionen bzw. der Verteilungskonflikte zwischen der staatlichen Forstverwaltung und den nicht-staatlichen Akteure wird auch auf die Kommunikation und die Machtbeziehungen zwischen diesen eingegangen. Zudem bieten die Ergebnisse einen allgemeinen Eindruck über die Situation der nationalen Forstverwaltung. Ganz grundsätzlich wird gezeigt, dass der Implementationsprozess des Beratungskonzeptes in Bulgarien nicht vollständig steuerbar ist. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es zu Verzögerungen in der Durchführung und zu Veränderungen in der Zielsetzung seitens der beteiligten Akteure kommt und dass diese sogar das Beratungskonzept als Ganzes in Frage stellen. Die Einstellungen der befragten Angestellten der unteren NFV-Behörden spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Die festgestellten Verzögerungen bei der Durchführung der Beratung und Ausbildung privater Waldeigentümer durch die staatlichen Angestellten lässt sich mit knappen Ressourcen, der schwachen Motivation und der mangelnden Wertschätzung dieser Tätigkeiten erklären. Dies wiederum ist eine Folge der ungenügenden Kommunikation und Zusammenarbeit mit der Verwaltungsspitze und anderen nicht-staatlichen Akteuren. Darüber hinaus jedoch ist in der Forstverwaltung eine negative Einstellung gegenüber den Waldeigentümern und deren Beratung und Ausbildung anzutreffen. Diese Einstellung beruht überwiegend auf dem Misstrauen der Förster, welche stark durch ihre eigenen Interessen und Ideologien geprägt sind und glauben, dass die profitorientierten Interessen der Eigentümer den ihren gegenüber stehen. So nutzen die staatlichen und privaten Förster ihre Ideologien der Erhaltung, Nachhaltigkeit, Multifunktionalität und Rationalität bei der Bewirtschaftung und Verwaltung der Wälder auch dazu, um ihren Einfluss auf die privaten Wäldern zu erhalten. Für die staatlichen Forstleute ist die nachhaltige Holzproduktion und -nutzung die Hauptzielsetzung für jeden Wald. Durch die Beratung privater Waldeigentümer oder durch die Verwaltung ihrer Wälder versuchen die Förster, diese Zielsetzung auch auf die Privatwälder zu übertragen. Die staatlichen Förster setzen viel mehr auf Gesetze, Kontrollen und Sanktionen als auf ihre eigene Überzeugungskraft in der Beratung und nutzen die Beratung dementsprechend, die Entscheidungsfreiheiten der Eigentümer einzuschränken. Eine rigide forstliche Gesetzgebung kommt ihnen dabei zu gute. Damit ist für eine Beratung im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ oder Unterstützung bei der Erkennung und Verwirklichung der Interessen der Eigentümer kaum Spielraum vorhanden. Die gewonnenen Ergebnisse zeigen somit letztlich, dass eine Zurückerstattung des Waldeigentums in Bulgarien nach mitteleuropäischen Vorstellungen im Grunde genommen bislang nicht stattgefunden hat. Eine Erklärung für die Verzögerungen oder das Versagen der Privatwaldpolitik in Bulgarien bietet die Policy-Transfer-Forschung. Sie erklärt Probleme bei der Umsetzung von Lösungsmöglichkeiten, welche in einem anderen Land entwickelt worden sind. Sie besagt, dass ein mehr oder weniger erzwungener Politiktransfer tendenziell einen unvollständigen Transfer darstellt, da die Idee oder Intention, die dieser Politik im Herkunftsland zu Grunde liegt, zumeist nicht mittransferiert wird. Bulgarien hat so zwar mit der Hilfe ausländischer Berater ein Beratungs- und Ausbildungskonzept erstellt. Eine echte Auseinandersetzung mit dem Problem des Beratungs- und Ausbildungsbedarfs in Bulgarien ist jedoch nicht erfolgt, was zu Implementationsdefiziten und sogar zum Scheitern des Beratungs- und Ausbildungskonzeptes geführt hat.

Ansprechpartner: Dr. Elena Angelova
Tel: 0761/203-3720
Email: elena.angelova@ifp.uni-freiburg.de
Projektlaufzeit:
Projektbeginn: 01.04.2003
Projektende: 31.03.2007
Projektleitung:
Dr. Elena Angelova

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Finanzierung:

  • Eva Mayr-Stihl Stiftung, Stiftung
  • Gleichstellungsbeauftragte der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Sonstiges

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