[Zurück zum
Forschungsbericht]

Heroisierungsstrategien in Konflikten des Nahen Ostens seit den 1970er Jahren

Projektbeschreibung:
In der jüngeren Geschichte des Nahen Ostens bedienten sich staatliche und nicht-staatliche Gewaltakteure eines breiten Repertoires an Heldenfiguren und Mechanismen der Heroisie-rung zur Mobilisierung in revolutionären Kontexten, Konflikten und Kriegen. Diese heroisch aufgeladenen Diskurse legitimieren oder delegitimieren Gewalthandeln, propagieren idealisier-te Kämpfertypen oder fordern in letzter Konsequenz das heroische Selbstopfer im Sinne der Sache. Sie haben dazu beigetragen, dass sich sowohl im Nahen Osten als auch in Europa stereotypische Wahrnehmungen von ‚Selbstmordattentätern‘ oder eines ‚islamistischen Kämpfers‘ durchgesetzt haben. Das geplante Teilprojekt konzentriert sich auf die Zeit zwischen den ausgehenden 1970er und den frühen 1990er Jahren, weil es davon ausgeht, dass die ideologischen, religiösen und politischen Gemengelagen in den zu untersuchenden nahöstlichen Konfliktkonstellationen dieses Zeitraums – den Iran-Irak-Krieg sowie den Konflikt zwischen Regime und Dschihadis-ten in Ägypten – wesentlich dazu beitrugen, solch heroisierte respektive dämonisierte oder antiheldische Stereotypen hervorzubringen. Durch die Offenlegung der zugrunde liegenden vielschichtigen historischen Prozesse leistet das Teilprojekt in dreierlei Hinsicht einen grundlegenden Beitrag zur Forschung: Es ermöglicht (1) durch die Analyse des Wechselspiels von Heroisierungen und Dämonisierungen zwi-schen Regimen und ihren Gegnern ein besseres Verständnis von Mechanismen der aktiven Produktion von Helden und Heroismen in einem spezifischen örtlichen und zeitlichen Kontext. Das Teilprojekt leistet (2) Grundlagenforschung zur jüngeren Ideen-, Sozial- und Medienge-schichte Ägyptens, des Iran und Irak auf Gebieten, die bislang nicht umfassend und syste-matisch untersucht sind. Es setzt sich (3) zum Ziel, aktuelle Diskussionen um Dschihadis-mus und Märtyrertum historisch zu vertiefen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass über die Analyse der medialen Heldenproduktion im Untersuchungszeitraum Aussagen über die Im-plementierung von Diskursformationen gemacht werden können, welche die Region des Na-hen Ostens über die Jahrtausendwende hinweg prägten und welche in gegenwärtigen Kon-flikten verstärkt reaktiviert werden. Das Teilprojekt untersucht in separaten Unterprojekten zwei konkrete Fallbeispiele, denen einerseits gemeinsam ist, dass sie sich mit den medialen Dimensionen von Heroisierungs-prozessen im Zusammenhang mit Gewalthandeln und Märtyrerdiskursen in muslimisch ge-prägten Gesellschaften des Nahen Ostens seit den 1970er Jahren befassen, die anderer-seits aber aufgrund ihrer regionalen und soziokulturellen Andersartigkeit geeignet sind, die heterogenen Ursprungszusammenhänge der heute zu Schlagwörtern verdichteten Begriff-lichkeiten und Bilder offenzulegen. Das erste Fallbeispiel betrifft den Konflikt zwischen dem ägyptischen Regime und der Ǧamāʿa slāmiyya um 1990 mitsamt seiner Vorgeschichte, die bis in die 1970er Jahre zurückreicht, das zweite Fallbeispiel die Dynamiken des Heroischen im Ersten Golfkrieg zwischen dem Irak und Iran (1980–1988). Das Erkenntnisinteresse liegt in beiden Fallstudien auf den Mechanismen der medialen Pro-duktion von Helden und Heldentypen. In den zu untersuchenden Diskursen kommt es zu Bündelungen von spezifischen Rollenbildern in Heroismen. Die Muster zur Repräsentation von idealer Männlichkeit, vorbildhaftem Kämpfertum, Heiligen, Märtyrern und Führerfiguren sowie deren jeweiligen Antagonisten folgen je nach Kontext religiösen, mythologischen oder säkularen Präfigurationen, die es zu entschlüsseln gilt. Die Analyse des Rückgriffs auf ein jeweils spezifisches Repertoire des Heroischen durch konkrete Akteure erlaubt es, Legitima-tionsebenen von Gewalthandeln in den betrachteten Konfliktkontexten zu identifizieren. Dar-über hinaus macht die Offenlegung der Heroisierungsstrategien die komplexen und häufig ambivalenten Spannungsverhältnisse an den zu untersuchenden Konfliktlinien deutlich.
Projektlaufzeit:
Projektbeginn: 01.07.2016
Projektende: 30.06.2020
Projektleitung:
Pink J

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Professur für Islamwissenschaft und Geschichte des Islams

Platz der Universität 3
79085 Freiburg

Telefon: 49-761-203-3154
Fax: 49-761-203-3144
Email: johanna.pink@orient.uni-freiburg.de
http://www.orient.uni-freiburg.de/islamwissenschaft/mitarbeiter/pink

Mitarbeiter:
  • Gölz O
Finanzierung:

  • SFB Helden, Heroisierungen, Heroismen, DFG

Aktueller Forschungsbericht