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Forschungsbericht]

„Unehelichkeit” als Massenphänomen. Ledige Mütter und ihre Kinder im 19. Jahrhundert

Projektbeschreibung:
Zu den auffälligsten demografischen Veränderungen im Europa des frühen 19. Jahrhunderts gehörte die wachsende Zahl von Kindern, die außerhalb der Ehe zur Welt kamen. Die Raten stiegen von 2 bis 4 auf zum Teil über 20, lokal über 60 %. Während die strukturellen Ursachen hierfür hinreichend erforscht sind, steht eine sozial- und kulturgeschichtliche Betrachtung der „Unehelichkeit” als Massenphänomen und seiner Veränderungen im Verlaufe des 19. Jahrhunderts bislang aus. Das soll die vorgeschlagene Untersuchung leisten. Sie will für ausgewählte Regionen und vier Untersuchungsfelder das Phänomen der massenhaften nichtehelichen Geburten analysieren, wobei anstelle der klassischen Strukturgeschichte die Untersuchung der Praktiken und Erfahrungen der „Unehelichkeit” im Zentrum steht. Zugespitzt könnte man sagen, es geht darum, „doing illegitimacy” als Untersuchungsgegenstand zu etablieren. Sichtbar werden bislang nicht beachtete fundamental verschiedene Ausprägungen der „Unehelichkeit” sowie auch unbekannte Facetten der Beziehungen zwischen Stadt und Land. Durch den neuen Fokus tritt vermutlich die Bedeutung der Kirche eher zurück, während die Rolle des Staates, der Gemeinden und vielleicht auch der erweiterten Familie ein größeres Gewicht bekommt. Schließlich wird zu zeigen sein, dass und wie sich die Kultur der vorehelichen Sexualität im Verlauf des 19. Jahrhunderts veränderte und die vorher dominierende Kultur der erotischen Annäherung ablöste. Am Ende des 19. Jahrhunderts gingen die Unehelichkeitsraten nahezu überall zurück. Vielleicht war dies die grundlegende Veränderung, die im Laufe des Untersuchungszeitraums stattfand, dass nämlich nahezu jede und jeder heiraten, Sexualität ausleben und eheliche Kinder haben durfte und konnte.
Projektlaufzeit:
Projektbeginn: 2016
Projektende: (unbegrenzt)
Projektleitung:
Karin Orth

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

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