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Forschungsbericht]

„Verräter“, „Opfer des Kolonialsystems“ oder „treue Soldaten an der Seite Frankreichs“ ? Der Diskurs um die Harkis in der 5. Republik

Projektbeschreibung:
Nachdem der Algerienkrieg lange Zeit als blinder Fleck in der französischen Geschichte galt, dringt er seit den 1990er-Jahren begleitet von heftigen Debatten um die Deutungshoheit der Geschichte zunehmend in das Bewusstsein der französischen Öffentlichkeit. Die Harkis - verstanden als soziale Gruppe der profranzösischen Algerier, die nach der Unabhängigkeit Algeriens das Land in Richtung Frankreich verließen - nahmen in den Debatten um den Krieg stets eine besondere Rolle ein. Von algerischen Einwanderern und französischen Kolonialkritikern zu Verrätern der algerischen Unabhängigkeitsbewegung deklariert, wurden sie von Verfechtern eines französischen Algeriens zu treuen Soldaten Frankreichs stilisiert, die von de Gaulle verraten und dessen politischen Zielen geopfert wurden. Sie selbst beteiligten sich lange Zeit nicht an diesem Diskurs. Erstmals in den 70er-Jahren zogen die Harkis durch Revolte selbst die Aufmerksamkeit auf sich und thematisierten ihre gescheiterte Integration in Frankreich. Sie traten erneut in den 90er-Jahren in den Vordergrund und bemühten sich ihre eigene Positionen in die Debatten um den Algerienkrieg einzubringen. Das Dissertationsvorhaben zielt darauf ab, die Debatten, die in der 5. Republik um die Rolle der Harkis geführt wurden, aus einer doppelten analytischen Perspektive systematisch zu untersuchen: Wie positionierten sich die Harkis selbst in diesen Auseinandersetzungen und wie wurden sie von anderen Akteuren thematisiert? Welche Divergenzen und Konvergenzen zwischen den verschiedenen Positionen sind auszumachen und wie veränderten sich diese im Laufe der 5. Republik? Welche Erklärungsansätze können für diese Divergenzen und Konvergenzen sowie für Brüche und Kontinuitäten geliefert werden? Das Projekt nimmt somit exemplarisch anhand der Harkis die Debatten um die koloniale Vergangenheit Frankreichs in den Blick, wobei die besondere Relevanz darin liegt, dass dieser Diskurs eng verknüpft ist mit dem Diskurs um Integration und Teilhabe in Frankreich, was sich am Beispiel der Harkis in besonderer Weise herausarbeiten lässt.
Projektlaufzeit:
Projektbeginn: 2011
Projektende: (unbegrenzt)
Projektleitung:
Laiß A

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Historisches Seminar
Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte Westeuropas
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