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Forschungsbericht]

"Politik des Schweigens: Sprachspiele an den Grenzen politischer Kommunikation im europäischen Vergleich (ca. 1789-1930)" - Habilitationsprojekt

Projektbeschreibung:
Wir sind es heute gewohnt, politische Macht mit ‚Mitsprache‘ gleichzusetzen und Partizipationskonflikte als Kämpfe um das Recht, seine ‚Stimme‘ zu erheben und ‚gehört‘ zu werden, aufzufassen. Obwohl keineswegs falsch, lässt dieser Fokus ein anderes Element politischer Kommunikation leicht in Vergessenheit geraten: das Schweigen. Während der Politikbegriff noch in der Frühen Neuzeit wesentlich mit Schweigsamkeit verknüpft war, ist die politische Entwicklung Europas seit der Französischen Revolution – von Zeitgenossen wie von Historikern – zumeist im Sinne eines unablässigen Kampfes gegen das Schweigen interpretiert worden. Das Brechen des auferlegten Schweigens der Machtlosen im Namen der Mündigkeit wurde dabei gleichermaßen eingefordert, wie das Zurückdrängen des Arkanums der Mächtigen zugunsten von Transparenz und Rechenschaftspflicht. In diesem Projekt wird in einer deutsch-französisch-britisch vergleichenden Langzeitperspektive danach gefragt, wie sich die Praktiken des Schweigens und ihre Rezeption vor diesem Hintergrund wandelten. Gerade in Zeiten, in der die Erwartungen an das politische Wort immer höher wurden, bildete sich eine Vielfalt an neuen und gewandelten Formen und Funktionen politischen Schweigens heraus, mit einer entscheidenden Bedeutung für die Konstitution des politischen Feldes in immer wechselnden Konstellationen. Das Projekt befasst sich mit einer Vielfalt von Kontexten politischer Kommunikation – von der Parlamentsdebatte über die Parteiversammlung und der Salonkonversation bis hin zum Klubgespräch. Das hoheitsvolle Schweigen soll dabei ebenso berücksichtigt werden wie das protestierende, das habitualisierte oder gar institutionalisierte Schweigen ebenso wie die Brüche, die durch Kommunikationsabbruch oder das ‚Brechen des Schweigens‘ markiert werden. Ausgehend von Mikroanalysen spezifischer Situationen der Grenzüberschreitung und -verschiebung werden Strukturen politischer Kommunikation sowie deren Wandel ausgelotet. Der Blick auf das Schweigen als Grenzfall politischen Sprachgebrauchs hebt somit nicht nur einen bisher wenig beachteten Aspekt politischer Kommunikation hervor, sondern rückt auch die konfliktreichen Momente, in denen die Dimensionen der Politik neu ausgehandelt werden, auf eine neue Art und Weise in den Fokus.
Projektlaufzeit:
Projektbeginn: 2015
Projektende: (unbegrenzt)
Projektleitung:
Jung T

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Historisches Seminar
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